Letzte Aktualisierung am: 16. August 2024
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Vorsatz und (grobe) Fahrlässigkeit: Was ist damit gemeint?
Auch wer kein Rechtsexperte ist, hat sicher schon einmal die Begriffe Fahrlässigkeit und Vorsatz gehört. Viele Menschen haben eine vage Vorstellung von ihrer Bedeutung. Fahrlässig ist mehr oder weniger „aus Versehen“, während Vorsatz absichtliches Handeln suggeriert.
So jedenfalls lautet die laienhafte Unterscheidung. Oft geht sie mit Fällen einher, die wir aus Krimis oder den Nachrichten kennen: vorsätzliche Tötung, fahrlässige Körperverletzung und weitere Straftatbestände.
Weniger bekannt ist die Tatsache, dass auch eine Ordnungswidrigkeit möglicherweise als Vorsatz gilt. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann so je nach Schwere als fahrlässig oder vorsätzlich eingestuft und entsprechend geahndet werden. Was das im Detail bedeutet, erklären wir im Nachfolgenden.
Inhalt
FAQ: Fragen und Antworten zum Vorsatz
Es ist von Vorsatz auszugehen, wenn Wissen und Wollen der Verwirklichung einer Tat vorliegen. Was das konkret bedeutet, lesen Sie hier.
Dies kann sich auf die Sanktionen auswirken. Bei vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeiten kann sich beispielsweise das Bußgeld im Bescheid verdoppeln.
Einerseits spielen Tempolimit und der Ort eine Rolle, andererseits müssen dem Gericht noch weitere Indizien vorliegen, die für Vorsatz sprechen. Welche das sein können, haben wir hier für Sie aufgelistet.
Absicht, direkter Vorsatz und bedingter Vorsatz: Definition im Strafrecht
Zunächst müssen wir noch etwas genauer hinsehen und unsere laienhafte Definition etwas korrigieren. Immerhin gibt es verschiedene Formen des Vorsatzes:
- Absicht oder „dolus directus 1. Grades“
- Direkter Vorsatz oder „dolus directus 2. Grades“
- Eventualvorsatz/bedingter Vorsatz oder „dolus eventualis“
Die Unterschiede sind teilweise sehr fein und lassen sich grob auf die Intention des Täters herunterbrechen: Wenn dieser weiß, welche Folgen sein Handeln hat, und dabei will, dass diese eintreffen („Willen und Wollen der Verwirklichung“), kann von Vorsatz nach Strafgesetzbuch (StGB) ausgegangen werden.
Je nachdem, in welche der Vorsatz-Kategorien eine Tat fällt, wirkt sich dies ggf. auf das Strafmaß aus. Dabei bedarf es aber grundsätzlich der Einzelfallbetrachtung eines Gerichts.
Fahrlässigkeit unterscheidet sich von Vorsatz dahingehend, dass der Täter zwar die Folgen seines Handels abschätzen oder vorhersehen kann, aber hofft bzw. glaubt, dass diese nicht eintreffen werden. Er vernachlässigt so seine Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig. So jedenfalls lautet die Definition nach § 276 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Unterschied dieser „bewussten Fahrlässigkeit“ und des bedingten Vorsatzs ist unter Experten jedoch umstritten.
Was zählt als vorsätzliches Handeln?
Jede Handlung kann entweder vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden. Es gibt daher keine Liste vorsätzlicher Tatbestände. Am einschlägigsten ist Mord, also vorsätzliche Tötung. Tötet beispielsweise ein Ehepartner den anderen, um dessen Lebensversicherung zu kassieren, dann hat er nicht nur das Wissen um die tödlichen Folgen, die Verwirklichung seines Ziels ist sogar vom Erfolg der Tat abhängig.
Es genügt aber auch, wenn der Täter die Folgen seiner Handlung billigend in Kauf nimmt. Wirft eine Person beispielsweise Steine von einer Autobahnbrücke, in dem Wissen, dass dabei Menschen zu Schaden kommen können, und ist ihr dies gleichgültig, dann liegt ebenso Vorsatz vor (hier: bedingter Vorsatz).
Ähnliches gilt bei anderen Straftatbeständen nach dem Strafgesetzbuch (StGB). Das Gericht muss dann stets prüfen, ob Indizien vorliegen, die auf Vorsatz hindeuten. Bei einer Alkoholfahrt kann z. B. Vorsatz vorgeworfen werden, wenn der Autofahrer …
- trotz Fahrbereitschaft Alkohol konsumierte.
- bereits einschlägige Vorstrafen hat.
- einen Fahrfehler begeht, diesen bemerkt und trotzdem weiterfährt.
- vor oder während der Fahrt gewarnt wurde.
Anders als vielleicht vermutet entscheiden die Gerichte wiederholt, dass die Menge des konsumierten Alkohols oder der Alkoholpegel keine Indizien für eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr darstellen.
Nicht nur im Strafrecht relevant: Vorsatz bei Ordnungswidrigkeiten
Bislang haben wir hauptsächlich Beispiele des Vorsatzes im Strafrecht betrachtet. Laut § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten entweder vorsätzlich oder fahrlässig begangen werden.
Doch woran lässt sich feststellen, ob Vorsatz vorliegt? Und was bedeutet das für die Sanktionen? Grundsätzlich gelten für die gängigsten Ordnungswidrigkeiten feste Bußgeldsätze, die auf Grundlage der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) basieren und im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog aufgelistet sind. Diese Regelbußen gelten gem. § 1 Abs. 2 BKatV nur, wenn „gewöhnliche Tatumstände“ vorliegen.
In § 4 Abs. 4a BKatV heißt es dann:
Wird ein Tatbestand des Abschnitts I des Bußgeldkatalogs vorsätzlich verwirklicht, für den ein Regelsatz von mehr als 55 Euro vorgesehen ist, so ist der dort genannte Regelsatz zu verdoppeln […] Der ermittelte Betrag wird auf den nächsten vollen Euro-Betrag abgerundet.
Verkehrssündern blüht also das doppelte Bußgeld, wenn sie eine vorsätzliche Ordnungswidrigkeit begehen. Wann und wie bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Vorsatz festgestellt wird, klären wir im Nachfolgenden am Beispiel eines Tempoverstoßes.
Beispiel Geschwindigkeitsüberschreitung: Wann gilt sie als vorsätzlich?
Um bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von Vorsatz ausgehen zu können, spielen zunächst folgende Aspekte eine Rolle:
- Tempolimit
- Festgestellte Geschwindigkeit
- Ort des Verstoßes
Was die Höhe der Überschreitung angeht, so kamen Gerichte in der Vergangenheit zu verschiedenen Ergebnissen: In einem Fall galten schon 35 km/h in einer Tempo-30-Zone als vorsätzlich.
Allerdings müssen zusätzliche Tatumstände herangezogen werden. Die Überschreitung alleine reicht nicht aus, um einen Vorsatz zu begründen. Aus verschiedenen Urteilen lassen sich folgende Indizien zusammentragen, die zusätzlich für eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung sprechen:
- Fahrer beruft sich auf große Fahrpraxis
- Ortskundiger bremst nur im Bereich des Blitzers ab
- Termin- oder Zeitdruck
- Fahrer gibt den Tempoverstoß zu